14 Feb. Die Stadt-Natur (oder Nature & the City) 28.02.22
Es ist Ende Februar, die Morgensonne erzeugt bei mir den gleichen Effekt wie ein Stück Speck bei ausgehungerten Mäusen.
Mit einem viel zu stark gewordenen Cappuccino frage ich mich kurz vor 9:00 Uhr auf meinem Stadtbalkon, welche Tiere ich in MEINEM Lebensraum akzeptieren kann und welche nicht. Das liegt sicher erst mal daran, dass ich die morgentliche Sonne durch ein schwarzes Taubenabwehr-Netz genieße.
Eigentlich will ich mir – ganz im Sinne der Biodiversität – bewusst sein, dass ich in DEREN Lebensraum eingedrungen bin und nicht umgekehrt. Ganz abgesehen davon, dass die (meisten?) Tiere wohl einen größeren Zweck für unsere Umwelt erfüllen als ich. So suche ich (bei Ecosia) nach „Tauben + Biodiversität“ und lerne, dass ich in die Arktis ziehen müsste um taubenfrei zu wohnen. Es wundert mich aber dennoch nicht zu lesen, dass es Taubenarten gibt, die vom Aussterben bedroht sind. Gibt es eine Tierart, die nicht vom Aussterben bedroht ist? Ecosia weiß keine Antwort. Hier breche ich meine Tauben-Recherche ab.
Eichhörnchen. Eichhörnchen kann ich und wohl jede Städter:in sehr gut akzeptieren. Die Entdeckung eines Eichhörnchen löst ähnliche Glücksgefühle aus, wie die Tatsache, dass die Bahn Hafermilch eingeführt hat. Wenn man Glück hat, kommen sie nahezu täglich am Balkon oder am kleinen, insektenunfreundlich kurz gehaltenen Rasenstück zwischen Fahrradständern und Hauseingang vorbei. Man kann Ihnen dann sogar Namen geben.
Mensch & Tier – man versteht sich ohne Worte – eine Freundschaft.💚 (Solange es keine Tauben sind oder Tierarten, die man in Europa üblicherweise zwischen 2 Brötchenstücke klemmt.) Ein Stück glücklich machende Natur inmitten der Stadt. Ich frage mich, ob Eichhörnchen den Menschen wirklich so zugewandt sind (wie wir es gerne romantisieren) oder ob wir einfach so tief in deren Lebensraum eingedrungen sind, dass wir nun Haus an Haus mit Ihnen wohnen.
Ich lerne, auch Eichhörnchen halten sich von Polarregionen fern und nach Australien haben sie es bislang auch nicht geschafft. In Afrika leben sie wohl lediglich um Kapstadt herum.
Sie gehören zu den sogenannten „Kulturfolgern“. Das sind Tiere (und auch Pflanzen), die durch menschengemachte Landschaftsveränderungen gewisse Vorteile erlangen und deshalb den Menschen folgen.
Und da fällt mir auf, ich habe ein Tier in meinen Gedanken über die Stadt-Natur völlig ignoriert. Denn ich lese, ein typischer Kulturfolger ist auch die Rabenkrähe. Definitiv auch ein fester Bestandteil meiner Hood. Unsere Häuser sind für sie eine Art Kunstfelsen. Was abgesehen von den inneren „Werten“, wie Alexa, Wlan und Ikea Möbeln rein äußerlich nachvollziehbar ist. „Hemerophile“ ist der Fachbegriff, der meinen Gedanken endlich die notwendige Professionalität verleiht. (Hemeros = kultiviert. Philos = Freund.💚 )
Aha! Die gute Nachricht, es scheint Eichhörnchen sind (soweit man weiß) noch nicht vom Aussterben bedroht. Laut Internetseite der deutschen Wildtierstiftung kann aber die Intensivierung der Forstwirtschaft zu einer Gefährdung für Sie werden. Verlustängste steigen in mir auf. 💔
Bei aller (Kultur-)Freundschaft frage ich mich dennoch, ob das alles gut ist. Liest man doch gerade zu Zeiten der Pandemie, immer mehr über Zoonose. Davon abgesehen, braucht niemand einen Marder oder Mäuse im Dachstuhl. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Kulturfolger unseren Individualverkehr befürworten.
Die beziehungsfreundlichste Lösung für alle ist wohl dem Natur-Partner wieder mehr Raum zu geben. Denn wenn sich immer nur einer anpasst, kann eine Beziehung auf Dauer nicht halten. Nur wenn beide genug Freiraum haben muss man weniger streiten und lebt glücklicher zusammen. Professioneller ausgedrückt ist das in Artikeln über #smartcities, deren Fotostrecken üblicherweise die bildgewordene Utopie der Stadt-Natur sind.
Wenn wir das erreichen, kann ich vielleicht auch mit Tauben eine Freundschaft auf Distanz akzeptieren.
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